Sonntag, 26. April 2015

Albtraum

Meine Lunge brannte, während ich immer tiefer in den dunklen Wald lief.
er war hinter mir. Ich konnte ihn spüren. Ich spürte die eisige Kälte, die von ihm ausging, obwohl Dezember war und ich nicht mehr als ein Nachthemd trug. 
Er war heute Nacht gekommen, betrunken, gemeinsam mit seinen so falschen Freunden. 
Sobald ich das Türschloss unserer kleinen, leeren Wohnung gehört hatte, war ich losgerannt, durch die Hintertür, von der er nichts wusste.
Und seit dem rannte ich. Meine Beine waren inzwischen Taub und meine Haare hingen nass von Schweiß an meinen Schultern. 
Ich hörte ihn rufen. Er rief meinen Namen. Immer wieder. 

Plötzlich wurde es hell um mich herum. Ich war auf einer Lichtung, anscheinend war die Sonne inzwischen aufgegangen. Um mich herum lagen kaputte Glasflaschen und ich meinte, die Lederjacke meines Bruders zu erkennen. 
Er rief mich wieder. Diesmal war er näher. 

Er kam immer näher, bis er meinen Namen schließlich direkt hinter mir flüsterte. 
"Ich hab mir Sorgen um dich gemacht, Schwesterherz"

Ich wollte wieder losrennen, doch meine Beine waren wie gelähmt vor Angst. Angst, vor dem, was geschehen würde und vor dem, was bereits geschehen war. Starke Hände packten meine Schultern und drehten mich herum. Ich blickte in seine kalten, grauen, und von Drogen zugedröhnten Augen, die den meinen so ähnlich waren. 
Als er mir ins Gesicht schnaufte, stieg ein starker Geruch von Alkohol in meine Nase. 

"Du warst zu lang wach, Schwesterchen. Du solltest schlafen.", flüsterte er und begann zu grinsen.

Dann hob er mich wie eine Puppe und legte mich unsanft auf den feuchten Boden. Ich spürte hunderte kleine Glasscheiben, die in meinen Rücken schnitten wie Messer. 
Mit meiner rechten Hand ertastete ich eine große, scharfe Scherbe. 
Als er kurz abgelenkt war, um in seinem betrunkenen Zustand seinen Gürtel zu öffnen, ergriff ich die Scherbe und schnitt mit damit in den Arm. 

Das letzte, das ich wahrnahm, war der überraschte Ausdruck in seinem Gesicht, als er erkannte, was ich getan hatte. Und das warme Blut, das sich auf meinem Körper ausbreitete und mein weißes Nachthemd rot färbte. 

Als ich die Stimmen meiner Eltern hörte, die mich zu sich riefen,  wusste ich, dass ich zuhause war, und dass ich nie wieder diese Schmerzen spüren würde. 

Ich war das erste und letzte mal in meinem Leben glücklich

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